Wer hat Anspruch auf Prozessbegleitung?
Opfer von Gewalt- oder Sexualdelikten haben in einem in Österreich geführten Strafverfahren einen Rechtsanspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung, der in der österreichischen Strafprozessordnung festgelegt ist (§ 66 Abs 2 StPO):
„Opfern im Sinne des § 65 Z 1 lit a oder b ist auf ihr Verlangen psychosoziale und juristische Prozessbegleitung zu gewähren, soweit dies zur Wahrung der prozessualen Rechte der Opfer unter größtmöglicher Bedachtnahme auf ihre persönliche Betroffenheit erforderlich ist. Opfern, die in ihrer sexuellen Integrität verletzt worden sein könnten und das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist jedenfalls psychosoziale Prozessbegleitung zu gewähren. Psychosoziale Prozessbegleitung umfasst die Vorbereitung der Betroffenen auf das Verfahren und die mit ihm verbundenen emotionalen Belastungen sowie die Begleitung zu Vernehmungen im Ermittlungs- und Hauptverfahren, juristische Prozessbegleitung die rechtliche Beratung und Vertretung durch einen Rechtsanwalt. Der Bundesminister für Justiz ist ermächtigt, bewährte geeignete Einrichtungen vertraglich zu beauftragen, Opfern im Sinne des § 65 Z 1 lit a oder b nach Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen Prozessbegleitung zu gewähren.“
Ob Prozessbegleitung erforderlich ist, ist von der Prozessbegleitung zu beurteilen. Bei Kindern und Jugendlichen wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass dies der Fall ist.
Als „Opfer“ definiert die StPO (§ 65 Abs 1):
„a. jede Person, die durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt oder in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sein könnte,
b. der Ehegatte, der eingetragene Partner, der Lebensgefährte, die Verwandten in gerader Linie, der Bruder oder die Schwester einer Person, deren Tod durch eine Straftat herbeigeführt worden sein könnte, oder andere Angehörige, die Zeugen der Tat waren,
c. jede andere Person, die durch eine Straftat einen Schaden erlitten haben oder sonst in ihren strafrechtlich geschützten Rechtsgütern beeinträchtigt worden sein könnte.“
Prozessbegleitung ist ein kostenloses Angebot. Einrichtungen, die Prozessbegleitung anbieten, werden durch das Bundesministerium für Justiz gefördert. Im Fall einer Verurteilung kann das Gericht die angefallenen Kosten für Prozessbegleitung vom Verurteilten zurückfordern.
Wurde in einem Strafverfahren Prozessbegleitung gewährt, so besteht auch ein Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung in einem Zivilverfahren, wenn ein sachlicher Zusammenhang zum Strafverfahren besteht (z.B. Schadenersatz, Verfahren über Obsorge oder Kontaktrecht). Dieser Anspruch gilt auch, wenn es im Strafverfahren nicht zu einer Verurteilung des oder der Beschuldigten gekommen ist. Dies ist in der Zivilprozessordnung geregelt (§ 73b ZPO):
„(1) Wurde einem Opfer im Strafverfahren psychosoziale Prozessbegleitung gewährt, so gilt diese auf sein Verlangen auch für einen zwischen ihm und dem Beschuldigten des Strafverfahrens geführten Zivilprozess, wenn der Gegenstand des Zivilprozesses in sachlichem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Strafverfahrens steht und soweit dies zur Wahrung der prozessualen Rechte des Opfers unter größtmöglicher Bedachtnahme auf seine persönliche Betroffenheit erforderlich ist. Dies ist von der Opferschutzeinrichtung, die die Prozessbegleitung bereit stellt, zu beurteilen. Gleiches gilt, wenn das Opfer als Zeuge über den Gegenstand des Strafverfahrens vernommen werden soll. Die psychosoziale Prozessbegleitung wird für den Zivilprozess bis zu einem Höchstbetrag von 800 Euro gewährt; genießt das Opfer Verfahrenshilfe, so beträgt der Höchstbetrag 1,200 Euro.
(2) Der psychosoziale Prozessbegleiter hat im Verfahren die Stellung einer Vertrauensperson. Er darf das Opfer auf dessen Wunsch zu allen Verhandlungen und Vernehmungen begleiten. Er ist vom Gericht von diesen Terminen zu verständigen. Das Gericht hat nach rechtskräftiger Entscheidung über die Streitsache den Gegner zum Ersatz der für die psychosoziale Prozessbegleitung aufgewendeten Beträge gegenüber dem Bund zu verpflichten, soweit dem Gegner die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind oder er sie in einem Vergleich übernommen hat.“